Ressourceneffiziente Innovative Formwerkzeuge für die Kunststoffverarbeitung durch Additive Fertigung und Digitalisierung
Welche Unternehmen sind am Projekt beteiligt?
Die Digitalisierung von Produktionsverfahren und die additive Fertigung bieten erhebliche Potentiale für die verschiedensten Gebiete der Technik. Dies gilt in besonderer Weise für den Werkzeug- und Formenbau zur ressourceneffizienten Verarbeitung von duroplastischen und thermoplastischen Kunststoffen. Voraussetzung hierfür ist eine Zusammenarbeit von Experten aus ganz unterschiedlichen Fachgebieten, wie z.B. der Kunststofftechnik, Werkstoffkunde, additiven Fertigung, numerischen Simulation und Produktionstechnik. Zu diesem Zweck hat sich unter Federführung des Zentrums für Konstruktionswerkstoffe MPA/IfW der TU Darmstadt ein schlagkräftiges, interdisziplinäres Konsortium mit folgenden Partnern gebildet:
- Kegelmann Technik GmbH, Rodgau-Jügesheim (Additive Fertigung mit SLM-Verfahren, Werkzeugbau, Kunststofftechnik, Spritzguss),
- PEG Plastics Engineering Group GmbH, Darmstadt (numerische Simulation der Werkzeuge),
- Roland Merz, Ober-Ramstadt (Duroplastverarbeitung, Herstellung von Kfz-Ersatzteilen),
- Institut für Produktionsmanagement, Technologie und Werkzeugmaschinen (PTW),
TU Darmstadt (Additive Fertigung mit LW-DED-Verfahren, digitale Prozesskette), - Zentrum für Konstruktionswerkstoffe MPA/IfW / Staatliche Materialprüfungsanstalt Darmstadt,
TU Darmstadt (Additive Fertigung, Digitalisierung, Werkstoffe, Qualitätssicherung).
Mit diesem Konsortium wird in Südhessen ein regionales Cluster an Kompetenzträgern für die Digitalisierung und additive Fertigung auf dem Gebiet des Werkzeug- und Formenbaus etabliert. Verbunden mit den aktuellen Aktivitäten der TU Darmstadt hinsichtlich des derzeit im Bau befindlichen ‚Additive Manufacturing Center‘ (AMC) wird die Thematik zukünftig weiter ausgebaut. Für die Region Darmstadt ergibt sich daraus perspektivisch für Unternehmen und Hochschulen ein hohes Standortpotential zu den Themen additive Fertigung und Digitalisierung, innerhalb dessen umfangreiche ökonomische und wissenschaftliche Synergieeffekte zu erwarten sind.
Welche Technologien und Innovationen werden untersucht?
Mittels additiver Fertigungsverfahren und Digitalisierung können Werkzeuge für die Kunststoffverarbeitung mit besonders komplex angeordneten Heiz- bzw. Kühlkanälen hergestellt werden, die mit konventionellen Verfahren nicht oder nur sehr schwierig darstellbar sind. Derartige Werkzeuge ermöglichen durch konturnahe bzw. variotherme Temperierung eine besonders energiesparende Verarbeitung von Kunststoffen zu hochwertigen, verfahrenstechnisch optimierten Formteilen. Neben diesen aufwendigen Werkzeugen mit hohem Wertschöpfungspotential bieten additive Fertigung und Digitalisierung aber auch die Möglichkeit, relativ einfache Werkzeuge für Kleinserien – beispielsweise für im Pressverfahren hergestellte Kfz-Ersatzteile aus Duroplast – sehr schnell und kostengünstig herzustellen. Das Projekt RIFOKADD widmet sich in zwei Teilprojekten diesen Herausforderungen. Die adressierten digitalen Innovationen und Technologien umfassen dabei die Konstruktion und Auslegung von Formwerkzeugen mittels digitaler Methoden, die numerische Simulation der Eigenschaften dieser Werkzeuge sowie den weiteren digitalisierten Herstellungsprozess unter Anwendung verschiedener additiver Fertigungsverfahren wie dem Selektiven Laserschmelzen (SLM) oder dem drahtbasierten Laserauftragsscheißen (LW-DED). Darüber hinaus wird ein digitalisiertes sektorübergreifendes Qualitätssicherungskonzept entwickelt.
Besonderes Augenmerk wird im Projekt RIFOKADD auf die Verarbeitung duroplastischer Kunststoffe gerichtet. Diese sehr traditionelle Werkstoffgruppe verfügt über hervorragende Eigenschaften bei vergleichsweise geringem Preis und oftmals auch günstigem CO2-Fußabdruck. Duroplaste wurden lange Zeit nurmehr eingeschränkt verwendet, u.a. aufgrund von im Vergleich zu Thermoplasten als nachteilig wahrgenommenen Verarbeitungseigenschaften (z.B. lange Zykluszeiten). Aktuell werden sie jedoch aufgrund ihres hervorragenden Eigenschaftsprofils wieder vermehrt eingesetzt, beispielsweise im Bereich der Elektromobilität. Der Einsatz digitaler Verfahren für den Werkzeugbau bietet daher gerade für duroplastische Werkstoffe ein besonders großes Entwicklungspotential.
Was sind die geplanten Anwendungsbereiche?
Variotherm bzw. konturnah temperierte Spritzgusswerkzeuge finden sich u.a. bei Thermoplast-Formteilen mit langen Fließwegen sowie bei Teilen, die ein geringes Niveau an inneren mechanischen Spannungen erfordern (z.B. für optische Anwendungen) oder konstruktionsbedingt Schwachstellen in Form von Bindenähten aufweisen. Auch die Verarbeitung vernetzender Harzsysteme bietet vielversprechende Anwendungsmöglichkeiten für eine variotherme Temperierung, beispielsweise beim Verguss elektrotechnischer Komponenten.
Additiv gefertigte Kleinserienwerkzeuge werden u.a. bei der Produktion von Ersatzteilen für Oldtimer-Fahrzeuge eingesetzt. Im Projekt RIFOKADD wird daher ein Presswerkzeug als Demonstrator zur Herstellung einer Duroplast-Zündverteilerkappe für einen historischen VW-Käfer (so genannter „Brezelkäfer“) entwickelt. Ein noch vorhandenes Original-Bauteil wird hierfür zunächst dreidimensional digitalisiert, und diese digitalen Geometriedaten werden dann für die Herstellung des Werkzeugs durch additive Fertigung verwendet. Zur Validierung der entwickelten Verfahren steht zum Vergleich für den VW „Brezelkäfer“ sogar noch die ursprüngliche Technische Zeichnung aus dem Jahre 1953 zur Verfügung, was in der Regel allerdings nicht der Fall ist.
Ein weiteres hochaktuelles Anwendungsfeld für den Werkzeugbau mittels additiver Fertigung ist die Herstellung von Medizinprodukten und Persönlicher Schutzausrüstung, wie sie z.B. im Zuge der Corona-Pandemie dringend benötigt werden. Die im Projekt RIFOKADD entwickelten Konzepte und Technologien können hierfür unmittelbar genutzt werden. Ganz allgemein gilt, dass digitale Prozessketten und additive Fertigungsverfahren den beteiligten südhessischen Unternehmen eine breite Marktentwicklung für unterschiedlichste und zum Teil hochindividualisierte Anwendungen im Werkzeugbau und der Kunststoffverarbeitung ermöglichen. In Verbindung mit dem seitens der Staatlichen Materialprüfungsanstalt Darmstadt entwickelten integrierten sektorübergreifenden Qualitätssicherungskonzepts wird zudem sichergestellt, dass angefangen von ersten Entwürfen bis hin zur Abmusterung der Werkzeuge und der Produktion von Formteilen ein durchgehend optimales Qualitätsniveau erreicht wird.